ADFC-Fachtagung 2018: Moderne Radverkehrsinfrastruktur
Rund 130 Fachleute und Verkehrsplaner trafen sich am 23. April zur Fachtagung „Moderne Radverkehrsinfrastruktur für alle Mobilitätsbedürfnisse“ des ADFC-Bundesverbands, um zu diskutieren.
Wie Radverkehrsplanung für zukunftsfähige und lebenswerte Städte aussehen? Das war die Kernfrage auf der ADFC-Fachveranstaltung. Der Ruf nach einer Radinfrastruktur, die es auch Kindern und älteren Menschen erlaubt, ohne Angst am Straßenverkehr teilzunehmen, war unüberhörbar. Im Anschluss fand der Parlamentarische Frühjahrsempfang des ADFC statt.
Eine Verkehrsplanung, die dem Autoverkehr nahezu die gesamte Fläche einräumt und den Radverkehr auf Restflächen und zwischen Autos verweist, reicht nicht aus – das war die Prämisse, unter der der ADFC mit seinen Gästen diskutieren wollte. Aktuell bedient die Radinfrastruktur robuste, routinierte und vor allem männliche Vielfahrer.
Mit der Tagung will der ADFC aber erreichen, dass bundesweit eine moderne und qualitativ hochwertige Infrastruktur für Menschen aller Altersgruppen geschaffen wird. Das arbeitete Ludger Koopmann aus dem ADFC-Bundesvorstand heraus und betonte sehr deutlich, dass alle Menschen sicher und komfortabel Rad fahren können, auch Kinder und Senioren. Die Infrastruktur soll diejenigen motivieren, die aus Angst oder Besorgnis bislang noch nicht aufs Rad steigen.
Blick in andere Länder
Deshalb richtete sich der Blick der Teilnehmenden zunächst in die USA, wo erfolgreich in kurzer Zeit Angebote für den Radverkehr geschaffen und verschiedene Formen der Verkehrsführung ausprobiert wurden. Auch der konsequente Stadtumbau in Vancouver war Thema, ebenso die Netzgestaltung und das Kreuzungsdesign in den Niederlanden.
Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass 50 bis 60 Prozent der Menschen gerne Fahrrad fahren möchten, es aber nicht tun, weil die angebotene Infrastruktur ihnen zu unsicher erscheint. Deshalb müssen planerische Standardwerke wie die „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“ (ERA) überarbeitet, unterschiedliche Mobilitätsbedürfnisse berücksichtigt und über die Dimensionierung der Radverkehrsanlagen nachgedacht werden. Es muss nicht für den jetzigen Radverkehr, sondern für den zukünftigen Radverkehr geplant werden.
Mehr Psychologie und System
Auch die Psychologie muss in der Verkehrsplanung eine viel größere Rolle spielen: Berater Thiemo Graf vermittelte eindrücklich, dass Menschen zwar aus dem Stegreif eine Autobahn zeichnen können, aber keinen Radweg – ihnen fehlen dazu die Bilder im Kopf, was daran liege, so Graf, dass Radverkehrsinfrastruktur überall anders aussehe, weil sie in das bestehende Verkehrssystem gequetscht werde. Erst mit positiven Bildern erzeuge man Handlungen und, so Graf, das Geheimnis erfolgreicher Fahrradstädte seien die Systemplanung und die entsprechenden politischen Entscheidungen.
Auch Stadtplaner Prof. Heiner Monheim stellte leidenschaftlich dar, dass Radverkehr im System gedacht werden muss. Er nahm die Teilnehmenden mit auf eine Zeitreise durch die Radverkehrsplanung und forderte, dass der Radverkehr konsequenter, radikaler und unbescheidener geplant werden muss: dreistellige Millionen-Beträge für die Radinfrastruktur, 40 Prozent Modal-Split-Anteil des Fahrrads und sieben Milliarden für Radschnellwege.
Revolution in der Bundespolitik?
Welche Vorstellungen Politiker vom Radverkehr haben und was die Bundesregierung in der verbleibenden Legislaturperiode vor hat, stellte der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Enak Ferlemann, vor. In den wachsenden Ballungszentren werden alternative Verkehrskonzepte und das Fahrrad gebraucht, denn mehr motorisierter Individualverkehr geht hier nicht. Deshalb wolle man die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen, die StVO novellieren und den Nationalen Radverkehrsplan bis 2030 fortschreiben und dafür einen Aktionsplan entwickeln, damit das Strategieapier der Bundesregierung mit Leben gefüllt werde. „Und stellen Sie sich das mal vor, wenn wir Parkplätze wegnehmen und darauf Radwege bauen – das wäre eine Revolution“, sagt Ferlemann. Er zeigte sich zuversichtlich, dass die GroKo in Sachen Radverkehr vieles richtig machen werde.
Rita Schwarzelühr-Sutter, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, gab einige Impulse, um den Trend zum Radverkehr durch Wettbewerbe, Innovationen und Investitionszuschüsse zu stärken. Das gelte auch für die nachhaltige urbane Logistik mittels Lastenrädern – hier brauche es kluge Konzepte.
Zu Gast beim Parlamentarischen Frühjahrsempfang des ADFC war auch Michelle Müntefering (SPD), Staatsministerin im Auswärtigen Amt, die das Dienstrad nutzt und die Ausstellung „Fahr Rad! Die Rückeroberung der Stadt“ im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt empfahl. Sie zeigt, wie eine Stadtentwicklung, u. a. in Kopenhagen, New York oder Oslo aussehen kann, die mehr Menschen aufs Fahrrad lockt.
Schon von Beginn an war sich der ADFC-Bundesvorsitzende Ulrich Syberg sicher, dass von der Fachtagung Impulse ausgehen werden. Zum Abschluss betonte er, dass Deutschlands Städte mehr Lebens- und Aufenthaltsqualität sowie mehr Gerechtigkeit im Straßenraum brauchen und forderte ein Mobilitätsgesetz für Deutschland.
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