Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e. V. (ADFC)

Radverkehr Berlin Invalidenstraße

Radverkehr Berlin Invalidenstraße © Philipp Böhme/Qimby

ADFC: Reform des Straßenverkehrsgesetzes

Deutschland hat endlich ein neues Straßenverkehrsgesetz (StVG) und eine novellierte Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). Die Reform hat der ADFC vor Jahren angeschoben. Ein Überblick zu den beschlossenen Änderungen.

Am 14. Juni 2024 haben Bundestag und Bundesrat endlich die Novelle des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) verabschiedet und damit neue Möglichkeiten zur fahrradfreundlichen Gestaltung von Kommunen geschaffen. Am 10.10.2024 wurde zudem die neue StVO im Bundegesetzblatt veröffentlich und erlangte damit Gültigkeit. 

Die StVG-Novelle wurde im November 2023 zunächst überraschend im Bundesrat abgelehnt. Nach mehrmonatigen Verhandlungen konnte jedoch im Juni 2024 ein Kompromiss erzielt und der Vermittlungsausschuss angerufen werden.

Im Kern ging es bei der Novellierung darum, die Ziele Umwelt- und Klimaschutz Schutz der Gesundheit und städtebauliche Entwicklung neu im Gesetz zu verankern, um den Kommunen mehr Spielräume beispielsweise bei der Einrichtung von Fahrradstraßen, Busspuren und Fußgängerüberwegen oder Tempo 30-Zonen zu verschaffen.

ADFC hat StVG-Reform ins Rollen gebracht

Der ADFC hat sich seit Jahren für die Modernisierung stark gemacht und einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht und begrüßt die Reform. Sie war dringend notwendig, denn das alte Verkehrsrecht priorisierte Kraftfahrzeuge und verhinderte oft eine sinnvolle Umgestaltung der Kommunen zugunsten nachhaltiger Mobilität.

ADFC-Bundesgeschäftsführerin Caroline Lodemann sagt: „Es war höchste Zeit, dass das angestaubte Straßenverkehrsgesetz endlich in der komplexen Verkehrsrealität von heute ankommt und Möglichkeiten für eine klima- und menschenfreundliche Gestaltung der Straßen eröffnet. Mit der Reform werden Kommunen in der Lage sein, geschützte Radfahrstreifen, Fahrradstraßen und mehr Tempo 30 einzurichten und so zügig die zahllosen Lücken im Radwegenetz zu schließen, ohne durch unsinnige Bürokratie ausgebremst zu werden.“

Nachbesserungen sind noch nötig

Der ADFC kritisiert jedoch, dass auch im neuen StVG ein klares Bekenntnis des Gesetzgebers zur Vision Zero (keine Toten und Schwerverletzten im Straßenverkehr) fehlt, obwohl dies ausdrücklich das Leitbild des Verkehrssicherheitsprogramms des Bundes ist. Damit fehlt ein eindeutiger Maßstab dafür, was mit dem Ziel Verkehrssicherheit im StVG überhaupt gemeint ist.

Eine Reduzierung der Blechschäden beispielsweise reiche dafür nicht aus, so der ADFC. Lodemann: „Die Sicherheit der ungeschützten Verkehrsteilnehmenden – also der Kinder und Erwachsenen, die zu Fuß gehen oder mit dem Rad unterwegs sind – muss höchste Priorität im Verkehrsrecht haben.“

StVO ebenfalls überarbeitet

Damit das Potenzial des neuen Straßenverkehrsgesetzes genutzt werden kann, wurde auch die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) reformiert. Der ADFC begrüßt, dass die Reform es den Kommunen leichter macht, sichere Radfahrstreifen und Fahrradabstellanlagen einzurichten. Aber er vermisst weitreichendere Möglichkeiten für die großflächige Anordnung von Tempo 30 und die Verankerung der Vision Zero.

Lodemann: „Wenn man genau hinschaut, bevorzugt die StVO weiter den Autoverkehr. Beispielsweise bleibt Tempo 30 ein verwirrender Flickenteppich. Das bringt nur stellenweise zusätzliche Sicherheit für Menschen, die zu Fuß, mit dem Rollstuhl oder dem Fahrrad unterwegs sind. Die Sicherheit hat nach der neuen StVO nun Vorrang vor der Leichtigkeit, das begrüßen wir. Es fehlt aber ein klares Bekenntnis zur Vision Zero – keine Getöteten und Schwerverletzten im Straßenverkehr. Die Chance auf eine echte Verkehrswende-Novelle wurde leider verpasst.“

Mehr Platz für Radverkehr

Deutschland soll bis 2030 ein attraktives Fahrradland mit durchgängigen Radwegenetzen, Radschnellwegen für Pendler:innen und guten Fahrradabstellanlagen werden – das sieht der Nationale Radverkehrsplan der Bundesregierung vor.

Mit den neuen Reformen des Straßenverkehrsrechts könnte dies nun schneller in die Umsetzung gelangen, da Radspuren und Fahrradabstellanlagen auf Fahrbahnen nun auch aus Gründen des Umwelt- oder Klimaschutzes, zum Schutz der Gesundheit oder zur Unterstützung der städtebaulichen Entwicklung eingerichtet werden können. Bislang mussten solche Maßnahmen mit der Verkehrssicherheit begründet werden und ließen sich oft nur an Unfallschwerpunkten umsetzen. Dies entfällt nun.

Kommunen müssen die neuen Möglichkeiten nutzen

Durch das neue Antragsrecht können zudem auch die Gemeindevertretungen die Initiative für neue Radverkehrsanlagen ergreifen. ADFC-Bundesgeschäftsführerin Caroline Lodemann sagt: „Jetzt kommt es natürlich darauf an, dass die Gemeinden und Behörden die neuen Optionen auch tatsächlich nutzen.“

Die geänderte Straßenverkehrs-Ordnung ist mittlerweile in Kraft getreten. Damit erfüllt die Bundesregierung ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag.

In den Artikeln zum Dossier finden sich mehr Informationen zum ADFC-Gesetzentwurf und zur Reform des StVG und der StVO. Sie geben Argumente und Forderungen des ADFC wider. Sie wurden vor den Novellierungen eingestellt und nehmen keinen Bezug auf den aktuellen Stand.
Aktualisiert: 10.10.2024

Verwandte Themen

Um dem höheren Radverkehrsaufkommen in der Corona-Krise gerecht zu werden, wurde an einer vielbefahrenen Straße ohne Radweg eine Autospur in einen Radweg umgewandelt.

Dossier: Radfahren in Zeiten von Corona

Das Corona-Virus verändert das Leben der Menschen. Das zeigt sich auch im Verkehr: Der motorisierte Individualverkehr…

ADFC-Fahrradklima-Test 2024

Dossier ADFC-Fahrradklima-Test

Der ADFC-Fahrradklima-Test findet regelmäßig statt. Immer mehr Menschen nehmen an der Umfrage zum Fahrradklima in den…

Visualisierung Projekt Cape Reviso: Die Heatmap zeigt, wo Radfahrende in Stuttgart besonders eng überholt werden.

Mobilität und Daten

Mobilität ist auch Datenverkehr. Daten können helfen, Verkehrsströme besser zu lenken und Konflikte zu vermeiden. Fürs…

Geschützer Radfahrstreifen in Berlin Holzmarktstraße.

Förderkurs für Kommunen

Förderkurs Klimapaket: Nicht nur die vielen Radentscheide haben es gezeigt: Menschen wollen mehr Radverkehr in ihren…

ADFC-Projekt InnoRADQuick Utrecht

ADFC-Projekt InnoRADQuick

Nachdem das erfolgreiche Projekt InnoRAD beendet ist, das innovative Beispiele für gute Radinfrastruktur vorgestellt…

Die Spitzenreiter der jeweiligen Stadtgrößenklassen.

ADFC-Fahrradklima-Test 2018

Und wie ist Radfahren in Deiner Stadt? Das konnten Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Teilnahme bei der Umfrage zum…

ADFC-Aktionsplan So geht #Fahrradland.

Dossier: ADFC-Aktionsplan So geht #Fahrradland

Deutschland wird bis 2030 Fahrradland – das muss das Ziel sein. Der ADFC hat einen Aktionsplan mit konkreten Forderungen…

Mann hält ein Handy. Auf dem Handy ist die App Mentimeter zu sehen.

Dossier: Förderung des Radwegbaus durch den Bund

Die Förderung des Radverkehrs erfolgt in Deutschland durch Bund, Länder und Kommunen. Vor Ort sind Länder, Kreise,…

Illustration InnoRAD Autofreie Straßen

Projekt InnoRAD – Innovative Radverkehrslösungen auf Deutschland übertragen

Das ADFC-Projekt „InnoRAD“ zeigt eine Auswahl besonders erfolgreicher Best-Practice-Beispiele aus der internationalen…

https://www.adfc.de/artikel/adfc-reform-des-strassenverkehrsgesetzes

Bleiben Sie in Kontakt