Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e. V. (ADFC)

Caroline Lodemann im Interview: Fahrrad ist ganzheitlich gutes Verkehrsmittel

Dr. Caroline Lodemann ist seit Februar 2024 die politische Bundesgeschäftsführerin des ADFC. Wir haben mit der leidenschaftlichen Sportlerin über ihre ersten 300 Tage beim ADFC gesprochen.

Foto mit Lastenrad von Caroline Lodemann, politische Bundesgeschäftsführerin des ADFC
Caroline Lodemann, politische Bundesgeschäftsführerin des ADFC © ADFC / Deckbar

Dr. Caroline Lodemann ist seit Februar 2024 die politische Bundesgeschäftsführerin des ADFC. Sie ist zuständig für die Bereiche Politik, Kommunikation und Verband und will eine noch breitere Unterstützung für die Vision vom Fahrradland Deutschland gewinnen. Wir haben mit der leidenschaftlichen Sportlerin über ihre ersten 300 Tage beim ADFC gesprochen.

Der Arbeitsweg ist auch im neuen Job schnell Routine. Wie kommen Sie ins Büro?

Frisch und wach selbstverständlich. Ich wohne im Norden Berlins und habe mein Fahrrad immer dabei. Morgens steige ich auch schon mal für Teilstrecken mit dem Rad in die S-Bahn oder Bahn, kommt auch darauf an, was so ansteht, ob ich zum Beispiel Termine außer Haus habe. Aber die rund zwölf Kilometer zurück nutze ich, um zu entspannen – das sind quasi meine Zeit und Raum, um den Arbeitstag Revue passieren zu lassen und mich dann auf andere Dinge zu freuen.


Was hat Sie nach den ersten 300 Tagen beim ADFC besonders beeindruckt oder überrascht?

Ganz klar: Das große, um nicht zu sagen, riesige Engagement der ADFC-Mitglieder!  Seit über 40 Jahren investieren so viele Menschen ihre Zeit, ihr Wissen und ihre Ideen in den ADFC und setzen sich für guten Radverkehr ein. Das Engagement trägt den ADFC und ist in der Vielfalt wirklich bemerkenswert – nehmen wir nur mal den Fahrradklima-Test, für den unermüdlich geworben wird und der sich daher großer Präsenz erfreut.
Ich freue mich aber genauso, dass sich der ADFC einen umfangreichen Verbandsentwicklungsprozess „zugemutet“ hat. Für das professionelle und konsistente Handeln sind klare Prozesse und Verantwortlichkeiten im ADFC unerlässlich und müssen kontinuierlich gelebt und weiterentwickelt werden. Auf der Bundeshauptversammlung im November habe ich erlebt, wie professionell und strukturiert der ADFC agiert und diskutiert. Die Besuche bei den – in sich durchaus vielfältigen – Landesverbänden haben mir gezeigt, dass der ADFC auch in der Fläche gut aufgestellt ist. Sie haben ihre eigenen Stärken, die sicher auch durch regionale Besonderheiten geprägt sind. Die Verschiedenheit zeichnet den ADFC aus, weil er diese Vielfalt erfolgreich nutzt. Damit hat sich der ADFC echte Expertise erarbeitet, und ich freue mich, dass ich den Verband in politischen Expertengremien wie dem Beirat Radverkehr vertreten darf, wo viele unterschiedliche Akteure das Bundesverkehrsministerium zum Radverkehr beraten. Insgesamt eine positive Bilanz mit Sahnehäubchen: Der ADFC zählt nun mehr als 240.000 Mitglieder – das zeigt, dass das Fahrrad trotz der vielen Krisen ein Gewinnerthema ist, das viele Menschen begeistert.

Was macht für Sie den Reiz aus, beim ADFC politische Bundesgeschäftsführerin zu sein?
Das Thema! Das Fahrrad ist ein ganzheitlich gutes Verkehrsmittel. Wir haben gute Argumente auf unserer Seite. Mich reizen aber auch die Aushandlungsprozesse, die wir gesellschaftlich und politisch noch vor uns haben – kurz: die Herausforderung, als ADFC breitenwirksam zu überzeugen, dass das Fahrrad das leistungsstärkste und unabhängigste Verkehrsmittel im Nahbereich ist.
 
Sie sind auch Wissenschaftlerin, da ist sicher die Studie zum Potenzial des Radverkehrs beim Klimaschutz besonders spannend. Wie beeinflussen die Ergebnisse die künftige Arbeit des ADFC?
Die Studie des Fraunhofer ISI belegt das hohe Potenzial des Radverkehrs in Deutschland – für sich genommen und für den Klimaschutz – das viele schon lange angenommen haben. Für den ADFC ist das eine wichtige Grundlage für seine politischen Forderungen. Und wir arbeiten derzeit viel mit den drei anschaulichen Szenarien, die diesem Potenzial zugrunde liegen: erstens eine sehr gute Fahrradinfrastruktur, zweitens eine gute Einbindung des Fahrrads in den öffentlichen Nahverkehr und drittens die fahrrad- und lebensfreundliche Gestaltung von Kommunen. Die Studie zeigt: Das Fahrradland Deutschland ist möglich! Deshalb bringen wir die Studie in Gremien und Diskussionsrunden ein, halten Vorträge und diskutieren sie auf Podien und wo immer es passt. Wir nutzen die Ergebnisse, um zu zeigen, was möglich ist und untermauern mit ihr und weiteren Studien unsere politischen Forderungen – die wir aktuell mit Blick auf die Bundestagswahl im Februar weiter schärfen und ergänzen.

Porträtfoto von Caroline Lodemann, politische Bundesgeschäftsführerin des ADFC
Caroline Lodemann, politische Bundesgeschäftsführerin des ADFC © ADFC / Deckbar

Bundestagswahl – ein gutes Stichwort. Der ADFC muss sich auf eine neue Regierung einstellen. Wie will der ADFC erreichen, dass der Radverkehr auch bei der Wahl Thema wird?
Momentan führe ich viele Gespräche mit Politikerinnen und Politikern, Partnern und Radfahrenden in denen es darum geht, dass das Fahrrad und sein Potenzial überparteilich von großer Bedeutung für ein funktionierendes Verkehrssystem sind. Dafür gibt es vielfältige Anknüpfungspunkte mit den demokratischen Parteien. Wir sind die Fahrradlobby, wir vertreten individuelle Radfahrende und viele Interessen rund um den Radverkehr und den Radtourismus. Insofern sind klare Botschaften und Forderungen unsererseits wichtig, auch für unsere Verlässlichkeit nach innen und außen. Und: Es braucht Dialog und gegenseitiges Zuhören – dann können wir auch Bedenken entkräften und nicht zuletzt gute Argumente für Politikerinnen und Politiker liefern.
Wir holen uns auch Unterstützung und tauschen uns mit unseren Bündnispartnern von anderen Fahrradbranchenverbänden oder Verkehrs- und Umweltorganisationen aus, um gemeinsam zu thematisieren, was für ein modernes und leistungsstarkes Mobilitätssystem notwendig ist. Eine möglichst breite Einigkeit und Geschlossenheit der verschiedenen Verbände helfen ebenfalls dabei, die Politik zu überzeugen.

Der ADFC will mehrheitsfähiger werden und breitere gesellschaftliche Schichten ansprechen. Gelingt das mit Themen wie Klimaschutz und Radinfrastruktur oder muss der ADFC weitere Themen in den Blick nehmen?
Gute Radinfrastruktur ist so etwas wie das Herzstück der politischen Arbeit im ADFC, auch Klimaschutz ist ein Satzungsziel. Beides können und werden wir nicht außer Acht lassen. Gute Infrastruktur überzeugt aber erst, wenn sie da ist – und dafür brauchen wir gute Beispiele, also Kommunen, die sich erfolgreich auf den Weg gemacht haben, aber auch Menschen, die das Radfahren und seine Vorteile für sich entdecken. Radfahren hat eine ganz praktische Komponente im Alltag. Als ADFC wollen wir unseren Beitrag dazu leisten, dass viele Menschen erleben, wie Radfahren ihr Leben bereichert, ihre Fahrtzeiten verkürzt – Stichwort: Stau – und sie Freude und Wohlbefinden am Radfahren oder an der unabhängigen Bewegung von A nach B entdecken. Und als Sportlerin freue ich mich, wenn der ADFC eben diese Freude an Bewegung und auch die sportliche Dynamik des Radfahrens auch in den Blick nimmt – denn das ist Lebensfreude. Den Spaß am Radfahren entwickeln übrigens immer weniger Kinder, weil Radfahren für sie nicht mehr selbstverständlich ist. Auch hier lässt sich noch viel mehr tun.

Wie kann sich der ADFC künftig weiter für das Fahrrad stark machen, in einer Zeit, in der immer stärker polarisiert und gegeneinander gearbeitet wird?
Emotionen lassen sich während des Radfahrens ausleben. Als ADFC wollen wir weiter mit Daten, Fakten und frischen Ideen überzeugen, dass der Radverkehr für viele Menschen und Probleme eine passende Lösung bietet. Wir bleiben dabei klar, sachlich, freundlich und aufgeschlossen! Ich bin überzeugt, dass dieses Prinzip langfristig das Beste ist.

Welche Meilensteine will der ADFC in den nächsten Jahren erreichen?
Unser strategisches Wachstumsziel ist kein Selbstzweck: Wir wollen ja, dass möglichst viele Menschen aller Altersklassen Rad fahren und Freude daran haben. Wie wichtig dafür eine gute Infrastruktur ist, hat die Studie zum Klimaschutzpotenzial des Radverkehrs gezeigt. Politisch bleibt es für den ADFC dabei: Deutschland soll ein Fahrradland werden, deshalb brauchen wir flächendeckend gute und sichere Infrastruktur, damit das Potenzial des Fahrrads für uns alle und für jede/n individuell zur vollen Entfaltung kommen kann. Von da aus sehen wir dann weiter!


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