Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e. V. (ADFC)

BHV Dresden 2015:

Der ADFC-Bundesvorsitzende Ulrich Syberg, der sächsische Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Martin Dulig und der Landesvorsitzende des ADFC Sachsen, Olaf Matthies, vor dem Verkehrsmuseum Dresden. © ADFC

ADFC-Fachveranstaltung 2015: „Radfahren für alle“ – auch für Kinder?

Im Zentrum der ADFC-Fachveranstaltung 2015 standen Rad fahrende Kinder. „Radfahren für alle“ – auch für Kinder? – so lautete die Fragestellung. Im Fokus standen Anforderungen und Bedürfnisse kindlicher Mobilität.

Für Kinder ist es besonders wichtig, dass eine sichere Infrastruktur, geringe Verkehrsbelastung und gute Abstellmöglichkeiten vorhanden sind. Es sind die entscheidenden Faktoren, wenn das Fahrrad das Verkehrsmittel der Wahl für den Schulweg sein soll.

Ein hochkarätig besetztes Podium erläuterte im Verkehrsmuseum in Dresden, wie Kinder ihre Umwelt wahrnehmen und in welchen Lernphasen sie für den Verkehr sensibler werden. Die Experten gingen auch auf spezifische Unfallrisiken und verkehrsplanerische Kriterien ein.

Der ADFC-Bundesvorsitzende Ulrich Syberg eröffnete die Veranstaltung mit den Worten: „Eigentlich bin ich die falsche Person hier vorne, ich müsste deutlich kleiner und ein Mädchen sein.“ Er zeigte sich besorgt, dass ein Rückgang von Rad fahrenden Kindern zu verzeichnen sei und sagte: „Wir machen Kinder immobil, in dem wir sie mit dem Auto zur Schule kutschieren.“

Autos schauen nett oder böse

Dr. Susann Richter von der TU Dresden erläuterte das Fehlverhalten von Kindern im Straßenverkehr und stellte ihre kognitive Entwicklung vor. Gerade Kinder unter acht Jahren seien durch Umweltreize noch stark ablenkbar, erst danach verbessere sich die selektive Aufmerksamkeit, die ab etwa 13 Jahren voll ausgebildet sei.

Jüngere Kinder gehen davon aus, dass Erwachsene auf sie aufpassen und Autos sofort anhalten könnten. Zudem haben sie eine fantasievolle Weltsicht und unterscheiden beispielsweise anhand der Frontscheinwerfer, ob Autos nett oder böse sind.

Die motorische Entwicklung sei bei Kindern ab 9 Jahren soweit, dass Mehrfachhandlungen und damit sicheres Radfahren möglich sei – gleichwohl diese Entwicklung durch Radfahren gefördert werde. Richter betonte, dass für Kinder deutlich mehr Lernmöglichkeiten und eine kindgerechte Infrastruktur geschaffen werden müssen.

Kinderwege sind Spielwege
Dipl. Ing. Juliane Krause, SRL plan & rat Braunschweig, stellte fest, dass Kinderwege auch Spielwege seien und die Bedürfnisse von Kindern und älteren Verkehrsteilnehmern sich nicht so sehr unterscheiden: Keine Sichthindernisse, verkehrsberuhigte (Spiel-)Straßen, weniger Autos und gute ÖPNV-Anbindungen beispielsweise seien für beide Gruppen wichtig.

Es sei bemerkenswert, dass der Fahrradbesitz der bis zu Fünfjährigen von 38 Prozent (2002) auf 50 Prozent (2008) angestiegen sei, in der Gruppe der 6- bis 10-jährigen hätten sogar 98 Prozent ein eigenes Fahrrad. Krause sagte, dass das selbständige Bewegen im Straßenverkehr die Gesundheit und das Selbstvertrauen der Kinder stärke.

Sie forderte, weniger und langsameren Autoverkehr, den Abbau des Gehwegparkens und eine stärkere Vernetzung von Spielräumen mit Kita, Schule, Einkaufszonen, ÖPNV, Sport- und Freizeitanlagen, Parks und in die freie Landschaft. Auch für ihre Forderung, die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 2010) einzuhalten – mit breiten Zuschlägen, wo viel Verkehr ist, bekam Krause viel Applaus.

Grußworte vom Martin Dulig

Der sächsische Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Martin Dulig, richtete trotz eines vollen Terminkalenders einige Grußworte an die Teilnehmer. Er betonte, dass man Kindern auf Augenhöhe begegnen und ihr Selbstbewusstsein stärken müsse, damit sie kleine Demokraten werden.

Er sehe noch einen starken Nachholbedarf beim Radverkehr und gleichzeitig einen riesigen Bedarf, diesen weiter auszubauen, denn das Fahrrad sei kein Nischenthema, sondern ein gleichwertiges Verkehrsmittel. Den Radverkehr weiter zu erhöhen und die Infrastruktur auszubauen, seien Ziele in Sachsen.

Er setze dabei auch auf eine verbesserte Koordination durch die Kommunen und auf eine gute Zusammenarbeit mit dem ADFC.

Neue Lernformen

Matthias Dehler aus Hamburg, Berichterstatter der Kultusministerkonferenz, zeigte neue Lernformen auf, die in Zusammenarbeit mit Schule, Eltern, Polizei, Verbänden und Partnern möglich seien. In Hamburg verletzten sich 700 Kinder auf dem Schulweg, der Großteil davon im Auto der Eltern.

Nicht nur für die eigenständige Mobilität, auch für die Sozialkompetenz und das Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein der Kinder sei es wichtig zu vermitteln, dass das Mamataxi uncool ist. Bei der Aktion „Zu Fuß zur Schule“ bekommen die Kinder einen Pass und eine Belohnung, wenn sie fleißig Stempel sammeln – kontrolliert werden sie durch ihre Mitschüler.

Eine reine Sicherheitserziehung habe ausgedient, auch der Fahrradführerschein provoziere falsche Einschätzungen, daher sollten Eltern beteiligt werden, denn sie haben Vorbildfunktion. Dass die Ausbildung von der Polizei zunehmend zurückgefahren und in private Hände gelegt werde, sahen auch die Teilnehmer kritisch. Sie fürchten, dass die Qualitätssicherung und -prüfung darunter leide.

 

Aktion des ADFC

Zum Abschluss der Veranstaltung stellte Sabine Kluth vom ADFC-Bundesvorstand Projekte und Aktionen aus dem ADFC vor und erwähnte u.a. Rad und Kunst-Aktionen, den Schulwegeplan der Gesamtschule Unna, die Verkehrsdetektive aus Heidelberg und das ADFC-Jugend-Fahrrad-Festival.

Hier, so Kluth, zeige sich, dass Kinder und Jugendliche eine eigene Meinung haben und diese auch selbst vertreten wollen. Sie forderten 2015 auf einer Fahrraddemo in Göttingen lautstark die fahrradfreundliche Schule mit sicheren und ausreichenden Abstellplätzen, sicheren Schulwegen, sicheren Fahrrädern, fitten Schülern und informierten Eltern. Dieser Forderung konnten sich die Teilnehmer nur anschließen.

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