Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e. V. (ADFC)

Alkohol und Radfahren

Alkohol und Radfahren © iStock | chabybucko

Die 1,1 Promille-Grenze für Radfahrer – ein Vorschlag des ADFC

Alkohol am Lenker? Keine gute Idee. Der ADFC empfiehlt einen sogenannten Gefahrengrenzwert einzuführen, wie es ihn auch bei Kraftfahrer:innen gibt. Neue Statistiken zeigen, dass der Vorschlag des ADFC helfen kann, Alkoholunfälle zu verhindern.

Der Anteil der Unfälle unter Alkohol an allen Fahrradunfällen ist von 2015 bis 2021 von vier auf fünf Prozent gestiegen. Bei Pkw-Fahrer:innen ist dieser Anteil weniger als halb so hoch, nämlich 2,2 Prozent. Alkoholunfälle sind meist folgenschwerer als andere Unfälle.

Auch wenn sie nur einen von zwanzig Fahrradunfällen ausmachen, haben sie eine klar erkannte Ursache, gegen die man mit geeigneten Mitteln vorgehen sollte – auch als Beitrag zur „Vision Zero“.

Bestehende Promillegrenzen

Für Radfahrende gibt es derzeit nur eine feste Promillegrenze. 1,6 Promille Blutalkohol-Konzentration (BAK) ist die Grenze für die „absolute“ Fahruntüchtigkeit im Radverkehr. Radfahrende, die diese BAK erreicht haben, werden wegen Trunkenheit im Verkehr bestraft.

Die Vorschrift aus dem Strafgesetzbuch enthält keinen bestimmten Wert für die BAK. Die Strafrechtsprechung hat mit Hilfe der Verkehrsmedizin festgelegt, dass bei 1,6 Promille oder mehr die Fahruntüchtigkeit von Radfahrenden unwiderleglich vermutet wird, auch ohne Fahrfehler.

Der Wert entspricht den 1,1 Promille BAK für die absolute Fahruntüchtigkeit von Kraftfahrenden. Kraftfahrzeug und Fahrrad stellen unterschiedlich hohe Anforderungen an das Fahrvermögen. Über diese Grenzwerte kann der Gesetzgeber nicht entscheiden. Nur die Rechtsprechung könnte sie auf der Grundlage neuer medizinischer Erkenntnisse herabsetzen.

Sind 1,6 Promille nicht „zu viel“?

Selbstverständlich – mit so viel Alkohol im Blut kann niemand mehr sicher Rad fahren. Aber schon weniger Alkohol macht Radfahren gefährlich. Mit 1,6 Promille oder mehr sind auch die letzten Alkohol gewöhnten Radfahrenden fahruntüchtig, so wie Kraftfahrer:innen ab 1,1 Promille.

Für Kraftfahrer:innen gibt es deshalb unterhalb davon einen „Gefahrengrenzwert“ von 0,5 Promille als Bußgeldtatbestand. Bußgeld für Kfz-Führer:innen: ab 500 Euro, für Radfahrende gilt im Bußgeldrecht der halbe Satz.

 

Der Vorschlag des ADFC

Der Gesetzgeber sollte auch für Radfahrende einen zusätzlichen Gefahrengrenzwert von 1,1 Promille als Bußgeldtatbestand in das Straßenverkehrsgesetz aufnehmen, der sich an den bestehenden Promillegrenzen und an der geringeren Gefahr durch Radfahrende orientiert.

Eine völlige Gleichsetzung von Auto- und Radfahrenden wäre nicht gerechtfertigt. Auch sonst orientieren sich die gesetzlichen Alkoholgrenzwerte an der Gefährdung, zum Beispiel Null Promille beim Fahren von Taxis, Linienbussen und Gefahrguttransporten.

Warum 1,1 Promille als Gefahrengrenzwert?

Mehr als 1 Promille gehen über einen leichten Rausch hinaus und werden bei geselligen Anlässen nur selten erreicht. Ab diesem Grad der Alkoholisierung wird Radfahren deutlich gefährlicher. Von den alkoholisierten Radfahrenden verunglücken 83 Prozent mit 1,1 Promille oder mehr. Verkehrsmedizinische Untersuchungen zeigten über 1 Promille eine deutlich gesteigerte Fahrunsicherheit.

1,1 Promille wären ein eindeutiger Grenzwert, ab dem man weder Auto noch Fahrrad fahren darf (wenn auch mit unterschiedlichen Rechtsfolgen).

Ziel des ADFC-Gesetzesvorschlags

Der Gesetzesvorschlag des ADFC hat nicht das Ziel, dass mehr Radfahrende bestraft werden. Es geht darum, Verkehrsunfälle zu verhindern – auch solche, bei denen allein Fahrradfahrende zu Schaden kommen.

Die 1,1 Promille-Grenze als Bußgeldtatbestand soll Radfahrerende nicht entmündigen, sondern ihre Eigenverantwortung als Verkehrsteilnehmer.innen fördern.

2015 hat dieser Vorschlag beim 53. Verkehrsgerichtstag viel Zustimmung gefunden. Die Empfehlungen seines Arbeitskreises lauteten u. a.:

„Neueste rechtsmedizinische Untersuchungen haben gezeigt, dass bei Fahrradfahrern im Bereich von 0,8 bis 1,1 Promille eine signifikante Zunahme von „groben“ Fahrfehlern auftritt. Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Arbeitskreis dem Gesetzgeber die Schaffung eines Bußgeldtatbestandes, wie er in § 24 a StVG (0,5-Promille-Grenze) für Kraftfahrzeugführer vorhanden ist, für Fahrradfahrer aber bislang fehlt.

Eine deutliche Mehrheit des Arbeitskreises spricht sich nach bisher vorliegenden Erkenntnissen für einen Bußgeldtatbestand mit einem gesetzlichen Grenzwert von 1,1 Promille aus.“

Viele Verkehrssicherheitsverbände, die vorher gleiche niedrige Promillegrenzen für Kfz-Führer:innen und Radfahrer:innen verlangt hatten, haben sich seitdem dem differenzierten Vorschlag des ADFC angeschlossen.

Die Forderung „gleiche Promillegrenzen“ taucht dennoch immer wieder auf. Auch mit dem Vorschlag, zumindest für Pedelecs die Promillegrenzen für das Führen von Kraftfahrzeugen anzuwenden, muss man rechnen.

Was bedeuten diese Promillewerte?

Es geht hier nicht um ein Glas Wein zum Essen oder um Getränke an einem geselligen Abend. Welchem Alkoholkonsum entsprechen 1,1 und 1,6 Promille? Das hängt von vielen Faktoren ab – Geschlecht, Alter, Körpergewicht …

Das Bundesverkehrsministerium ist der Empfehlung des Verkehrsgerichtstags 2015 nicht gefolgt. Die Begründung lautete, dass die Unfallzahlen im Radverkehr nicht steigen und dass die Unfälle unter Alkoholeinfluss zurückgehen.

Anstieg der Alkoholunfälle

Beides stimmt inzwischen leider nicht mehr: Allein der Anstieg der Alkoholunfälle von vier auf fünf Prozent in den vergangenen Jahren brachte jedes Jahr rund 800 verunglückte Radfahrende zusätzlich.

Nach einer Untersuchung in 23 Krankenhäusern in Nordrhein-Westfalen wurden unter Alkoholeinfluss verunglückte Radfahrende doppelt so oft stationär behandelt wie nicht alkoholisierte (31 gegenüber 16 Prozent). Intensivmedizinische Behandlungen waren fast viermal häufiger notwendig. Die Betroffenen gefährden zudem nicht nur sich selbst, sondern auch andere Radfahrende.

Ein gesetzlicher Grenzwert hätte den Anstieg in den vergangenen Jahren verhindern und sogar zu einer Reduzierung der Fahrradunfälle unter Alkohol führen können. Die im Laufe vieler Jahre verschärften Promillegrenzen beim Führen von Kfz hatten diese Wirkung.

Roland Huhn, ADFC-Referent Recht

alle Themen anzeigen

Werde ADFC-Mitglied!

Unterstütze den ADFC und die Rad-Lobby, werde Mitglied und nutze exklusive Vorteile!

  • exklusive deutschlandweite Pannenhilfe
  • exklusives Mitgliedermagazin als E-Paper
  • Rechtsschutzversicherung
  • Vorteile bei vielen Kooperationspartnern
  • und vieles mehr

Dein Mitgliedsbeitrag macht den ADFC stark!

Zum Beitrittsformular

Verwandte Themen

Zusammen unterwegs mit E-Bike und E-Bike Lastenrad

E-Bike oder Pedelec? Rechte und Pflichten

Elektrofahrräder stehen hoch im Kurs bei den Verbraucher:innen. Der ADFC zeigt, wie sich Fahrräder mit Elektromotor von…

Radfahrer sollten wissen, was nach einem Unfall zu tun ist.

Fahrradunfall – was tun?

Zum Glück gehen die meisten Fahrradunfälle nur mit leichten Verletzungen oder Sachschäden aus. Dennoch sollten Radfahrer…

Beleuchtung

Verstöße bei der Beleuchtung

Die Beleuchtungsvorschriften für Fahrräder finden sich in der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung (StVZO). Fehlt die…

Empfehlungen des ADFC für Käufer:innen von Babboe-Lastenrädern

Der Verkaufsstopp von Babboe-Lastenrädern schlägt große Wellen. Auch in Deutschland besitzen viele Kund:innen…

Geldwerter Vorteil für Fahrrad-Pendler

Mit dem Rad zur Arbeit – immer mehr Berufstätige fahren Rad, um entspannt und fit an ihrer Arbeitsstelle anzukommen.…

Elektrorad-Akku am Arbeitsplatz aufladen

Elektrorad-Akku am Arbeitsplatz aufladen

Wer mit dem Elektrorad zur Arbeit fährt, darf seine Akkus im Betrieb nur mit Zustimmung des Arbeitgebers aufladen. Ein…

Rennräder sind Sportgeräte und auf Geschwindigkeit optimiert.

Rennräder

Stark und schnell: Rennräder sind Sportgeräte, je leichter, desto besser. Aber nicht nur im Wettbewerb werden sie…

Radfahrender Junge

Kinderfahrräder

Vom Laufrad bis zum echten Verkehrsmittel: Die Auswahl an Kinderrädern ist groß – und das erste eigene Rad fürs…

Auf dem Land Radfahren

Radfahren auf der Fahrbahn

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat in einem Grundsatzurteil bestätigt, dass Radfahren auf der Fahrbahn der…

https://www.adfc.de/artikel/die-11-promille-grenze-fuer-radfahrer-ein-vorschlag-des-adfc

Bleiben Sie in Kontakt