Herbstempfang 2016: Mobilität 4.0 und die Zukunft des Fahrrads
Rund 200 Gäste aus Politik, Fahrradbranche und Start-Up-Szene konnte der ADFC am 21. September zu einem Herbstempfang in Berlin begrüßen.
Unter dem Thema „Mobilität 4.0 und die Zukunft des Fahrrads“ wurden innovative Ideen für das vernetzte Radfahren sowie die politischen Rahmenbedingungen für die Verkehrswende diskutiert.
Der ADFC-Vorsitzende Ulrich Syberg sagte: „Das Fahrrad war das erste Automobil im eigentlichen Sinne: Ein Fortbewegungsmittel, auf dem der Mensch erstmals selbst fahrend ohne Hilfe von Zugtieren unterwegs war. Es war eine Innovation und sorgte für gesellschaftliche Umbrüche.“ Auch heute stehen große Umbrüche im Verkehrsbereich an: Car-Sharing statt Autobesitz, höhere Flexibilität bei der Nutzung und Vernetzung sind die Schlagworte. Syberg forderte die Politik auf, für diese Umbrüche mutige Rahmenbedingungen zu schaffen.
Dobrindt sagte kurzfristig ab
Für das Bundesverkehrsministerium sprach in Vertretung von Minister Alexander Dobrindt dessen Parlamentarischer Staatssekretär Norbert Barthle (CDU). Er entschuldigte Dobrindt, der eigentlich auf dem Podium stehen sollte, beteuerte aber, dass er im Namen des Ministers spreche.
Barthle betonte, dass der Radverkehr wichtig ist und dass Radschnellwege großes Potenzial haben. Entsprechend arbeite man im Ministerium intensiv an einer Änderung des Bundesfernstraßengesetzes. Radfahren sei ein Megatrend und die IT-Unterstützung mache das Radfahren noch einfacher. Das Fahrrad stehe im Mittelpunkt von Mobilitätsinnovationen und der Mobilitätskette. Barthle: „Der Radverkehr wird bei der Mobilität 4.0 eine Schlüsselrolle einnehmen.“
Platzmangel in Städten
Dr. Toni Hofreiter, Fraktionschef der Grünen/Bündnis 90 im Bundestag, sagte: „Das Fahrrad boomt, aber die Infrastruktur kann da nicht mehr mithalten und man steht im Stau.“ Probleme wie Emission, Lärm oder Sicherheit ließen sich lösen, aber der Kulturraum Europäische Stadt kann den Platz nicht bieten, den Autos benötigen.
Mit einem klugen Fahrradkonzept hingegen erhalten Kommunen am meisten moderne Mobilität für ihr Geld, so Hofreiter. Das Bundesverkehrsministerium könnte Radfahrern das Rechtsabbiegen an roten Ampeln erlauben und in der StVO Regeln verbessern, die aus der „Perspektive der Windschutzscheibe“ gemacht wurden. Denn: Unsinnige Regeln, so Hofreiter, schaden der Glaubwürdigkeit der gesamten StVO. Geld investieren könnte man aber in Wettbewerbe und modellhafte Städte, in denen moderne Konzept für Verkehr, Klimaschutz und Lebensqualität ausprobiert werden. Solche Konzepte wären Exportschlager.
Exportschlager Bike-Sharing
Einen Exportschlager stellte Ralf Kalupner, Geschäftsführer der nextbike GmbH, vor: Die Entwicklung der Fahrradleihstationen weltweit hat nextbike mitgeprägt. Etwa eine Millionen Mieträder gebe es weltweit. Nextbike stelle etwa 35.000 in 18 Ländern über die praktische Handyausleihe zur Verfügung.
In Berlin betreibt das Unternehmen bald ebenfalls Leihstationen, um den Verkehr zu entlasten. Doch deutsche Staus seien mit solchen in indischen Städten, Minsk oder Kiew nicht vergleichbar. Er appelliert aus eigener Erfahrung an die Politik, junge Unternehmen stärker zu fördern, denn die ersten Schritte seien die schwersten. Er habe sich das Geld von seiner Mutter leihen müssen, um die GmbH zu gründen, die heute einen Exportschlager weltweit vertreibt.
Das Verhindern muss aufhören
Ähnlich argumentierten auch die spontan vom moderierenden ADFC-Bundesgeschäftsführer Burkhard Stork auf die Bühne gerufenen Kenner der Fahrradbranche. Mathias Seidler, der lange Jahre Geschäftsführer des Fahrradherstellers Derby Cycle war, betonte, dass Deutschland bei Innovationen weit vorne liege und eine vitale Gründerszene habe, aber Unternehmensgründungen nicht unterstützt würden.
Hier könne die Politik mehr tun – später ist Geld kein Problem mehr, leider käme es dann häufig aus den USA. Und Jörg Müsse, Geschäftsführer der Bico GmbH, machte deutlich, dass jeder Radfahrer die perfekte Werbung sei, ob auf dem eigenen oder gemieteten Rad. Doch Menschen auf dem Rad stünde eine abenteuerliche Infrastruktur zur Verfügung. Müsse: „Die Politik muss das Radfahren nicht fördern, aber sie muss aufhören, es zu verhindern.“
Innovationen von jungen Unternehmen
Im Anschluss präsentierten fünf junge Unternehmen innovative Produkte zur Mobilität 4.0. Dr. Andreas Helferich von highQ stellte die Mobilitätskarte „polygo – Alles auf einer Karte“ vor. Mit ihr sind bereits 250.000 Menschen im Raum Stuttgart multimodal unterwegs: Sie fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln, leihen Fahrräder, Autos oder auch Bücher damit aus, nutzen Ladestationen und einige bezahlen auch damit.
Radschnellwege im Bundesverkehrswegeplan 2030
Das letzte Wort hatte Ludger Koopmann vom ADFC-Bundesvorstand. Er hob hervor, dass der ADFC eine Trendwende bewirkt habe, denn die Mittel im Bundeshaushalt waren schon auf 60 Millionen Euro für das Fahrrad gekürzt.
Jetzt stehen immerhin wieder 100 Millionen Euro im Plan und die Radschnellwege im Bundesverkehrswegeplan 2030. Koopmann betonte, dass sich der ADFC die Verbesserung der Infrastruktur für Radfahrer in seinem Verkehrspolitischen Programm auf die Fahnen geschrieben habe und dieses nun mit einem Programmpapier konkretisieren werde.
Die Veranstaltung fand in der Vertretung des Landes Baden-Württemberg beim Bund statt. Baden-Württemberg hat eine umfassende Strategie entwickelt, um ein Fahrradland zu werden und feiert im nächsten Jahr groß 200 Jahre Fahrrad als eine Erfindung des Landes.
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