Parken im öffentlichen Raum
Für die einen gibt zu wenig Pkw-Parkplätze, für den Einzelhandel können sie nicht dicht genug vor der Ladentür sein und für andere nehmen parkende Autos viel zu viel öffentlichen Raum ein. Sie wollen mehr Platz für den Rad- und Fußverkehr.
Satte 69,3 Millionen Kraftfahrzeuge waren im Oktober 2023 in Deutschland zugelassen, 49,1 Millionen davon sind Pkw. Die Zahl steigt stetig: Immer mehr und immer größere Autos beanspruchen immer mehr Platz, auch beim Parken – und das tun Pkw im Schnitt 23 Stunden am Tag. Es soll 160 Millionen Stellplätze in Deutschland geben. Das sind mehr als drei Plätze pro Pkw, aber auch die scheinen nicht zu reichen, denn oft wird in zweiter Reihe oder auf Geh- und Radwegen geparkt.
Wie viel Platz wofür?
Ein Parkplatz ist mindestens 12 m² groß, das entspricht etwa einem durchschnittlichen Kinderzimmer hierzulande. In Berlin gibt es zehnmal so viel Fläche für Parkplätze wie für Spielplätze und sechsmal so viel wie für den Radverkehr. Ist der Platz knapp, wächst der Druck: Wie viel Platz fürs Parken wollen sich Kommunen leisten und wie ließe sich der Platz gerechter nutzen?
Parken ist billig
Parken ist in Deutschland vergleichsweise billig oder sogar kostenlos: In Berlin zahlen Autofahrende für das Parken am Straßenrand zwischen zwei und vier Euro pro Stunde, in München bis zu 2,50 Euro und in Frankfurt/Oder maximal 0,50 Euro, während in London dafür etwa 8,50 Euro fällig werden und in Amsterdam bis zu 7,50 Euro. Je näher Parkplätze am Zentrum liegen, desto teurer sind sie in der Regel. Aber das Parken im öffentlichen Raum ist in Deutschland längst nicht überall kostenpflichtig.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert das Ende des kostenlosen Pkw-Parkens im öffentlichen Raum und setzt sich für einen angemessenen Preis ein. „Wir schlagen vor, dass eine Stunde Parken mindestens so viel kosten sollte wie ein Einzelfahrschein für den ÖPNV, das wären ca. drei Euro“, sagt Anna-Lena Hahn, Referentin für Verkehr und Luftreinhaltung bei der DUH. Sie kritisiert, dass die Kosten für den Nah- und Fernverkehr regelmäßig steigen, Parkgebühren aber oft unverändert niedrig bleiben.
Aktuell müssen Verwaltungen zunächst durch aufwändige und teure Machbarkeitsstudien einen hohen Parkdruck nachweisen, bevor Parkplätze kostenpflichtig werden können. Derzeit gibt es keine Mindestgebühren auf öffentlichen, bewirtschafteten Flächen, oft ist sogar ein kostenloses Kurzzeitparken möglich: Brötchentaste und Co. wirken aber wie eine Einladung, mit dem Auto bis vor die Tür zu fahren.
Parkraumbewirtschaftung
Die Höhe der Parkgebühren beeinflusst, wie gefragt Parkplätze sind. Das kann als Mittel genutzt werden, den Parksuchverkehr zu lenken. Sind Parkplätze in zentralen, stark frequentierten Lagen im öffentlichen Raum deutlich teurer, wird es attraktiver, nahegelegene Parkhäuser oder Tiefgaragen anzusteuern – oder direkt aufs Rad oder in Bus und Bahn zu steigen.
Die Stadt Wien bewirtschaftet den innerstädtischen Parkraum bereits seit 1993 und hat den Bereich der Kurzparkzonen immer weiter ausgedehnt: Das Parken ist dort überall kostenpflichtig. Gleichzeitig wurden der ÖPNV ausgebaut, der Parkgaragenbau gefördert und Park-and-ride-Anlagen am Stadtrand eingerichtet. Mit den Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung wurde unter anderem das 365-Euro-Jahresticket für den ÖPNV finanziert. Durch diese Maßnahmen sank der Anteil des motorisierten Individualverkehrs am Modal Split deutlich. Die Menschen nutzen zunehmend den Umweltverbund.
Parkplätze reduzieren
In Frankreichs Hauptstadt Paris, die zu Stoßzeiten im Stau erstickt, hat Bürgermeisterin Anne Hidalgo viele Projekte gestartet, die den Platz für Autos einschränken. So wurden bereits tausende Parkplätze umgewandelt, um mehr Raum für den Rad- und Fußverkehr sowie für Spiel- und Grünflächen zu gewinnen. Erst im Februar stimmten die Bürger:innen für höhere Parkgebühren für SUVs.
Um den vielen Menschen zu Fuß besser gerecht zu werden, hat die Stadt Frankfurt/Main die Höchstgeschwindigkeit in Teilen der Innenstadt auf 20 km/h gesenkt und will gleichzeitig die straßenseitigen Parkplätze in den verkehrsberuhigten Geschäftsbereichen abschaffen. Durch digitalisierte und vernetzte Parkleitsysteme werden Autos zukünftig in citynahe Parkhäuser geleitet; das soll den Parksuchverkehr reduzieren.
Auf diesem Weg sind eigentlich auch viele andere Städte. Aber der Gegenwind nimmt zu und mancherorts wird zurückgerudert: Durch Hannovers Innenstadt sollten in Zukunft deutlich weniger Autos fahren, aber dafür fehlt jetzt die Mehrheit im Stadtrat. Auch andernorts streiten Politiker:innen, protestieren Anwohner:innen und klagen Geschäftsleute. Die Debatte ist kontrovers und emotional: Das „Sterben der Innenstädte“ wird oft zitiert. Aber ist es wirklich so, dass viel weniger Menschen in den Innenstädten einkaufen, wenn sie nicht mehr direkt vor dem Geschäft parken können?
Gut oder schlecht fürs Geschäft?
Das Beispiel der Friedrichstraße in Berlin zeigt, wie viel Streit es um die Sperrung eines wenige 100 Meter langen Straßenabschnitts geben kann, mit der auch die dortigen Parkmöglichkeiten wegfallen. Wie wichtig sind Parkplätze in unmittelbarer Nähe zum Geschäft für den Umsatz? Das Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) verweist auf zahlreiche Studien, die belegen, dass das Entfernen von Parkplätzen sowie fahrrad- und fußgängerfreundlich umgestaltete Straßen, die zum Verweilen einladen, sich positiv auf den Umsatz auswirken. Menschen, die mit dem Rad, zu Fuß und per ÖPNV unterwegs sind, werden vom Einzelhandel als Kundschaft oft unterschätzt. Zwar geben sie pro Einkauf weniger aus, kaufen aber häufiger ein und geben so insgesamt mehr Geld aus.
Doch davon ist der Einzelhandel nur schwer zu überzeugen. Er wehrt sich teils energisch gegen das Entfernen von Parkplätzen. Auch Teile der Bevölkerung lehnen vielerorts vehement ab, das Parken am Straßenrand einzuschränken. Parkraumerhebungen zeigen allerdings, dass es in den Innenstädten keineswegs zu wenig Parkplätze gibt: Selbst zu Stoßzeiten sind in Parkhäusern Plätze frei. Das Problem ist also vielmehr, dass man nicht direkt vor dem Geschäft parken kann. Die Vorstellung, nur wenige Meter entfernt einen Parkplatz zu ergattern, lockt viele mit dem Auto bis vor die Tür.
Teure Parkplatzsuche
Sehr oft klappt das Parken direkt vor der Tür nicht und so drehen die Suchenden ihre Runden. Vor allem in Innenstädten verbringen Autofahrer:innen wertvolle Zeit mit der Parkplatzsuche und legen viele sinnlose Kilometer zurück. Die verschwendete Zeit, der zusätzlich verbrauchte Kraftstoff und die Abgasbelastung durch die Parkplatzsuche kosten die Gesellschaft richtig Geld. Eine Studie geht von rund 40 Mrd. Euro pro Jahr in Deutschland aus.
Folglich lohnt es sich selten, einen Parkplatz am Straßenrand zu suchen. Stattdessen zahlt es sich eher aus, direkt über intelligente Parkleitsysteme, in Zukunft hoffentlich mit Echtzeitinformationen zu Parkmöglichkeiten, einen – definitiv freien – Parkplatz im Parkhaus oder in der Tiefgarage anzusteuern.
Parken für Anwohner:innen
In vielen Wohngebieten mit hohem Parkdruck haben die dort lebenden Menschen das Recht auf einen Parkausweis. Damit können Anwohner:innen ihr Auto für sehr wenig Geld im öffentlichen Raum abstellen. Bis Mitte 2020 galt eine bundeseinheitliche Obergrenze von 30,70 Euro pro Jahr – das sind gerade mal 8,4 Cent pro Tag. In Amsterdam zahlen Anwohner:innen bis zu 630 Euro, in Stockholm seit Februar 2024 sogar bis zu 1.700 Euro jährlich.
Obwohl Bundestag und Bundesrat bereits vor dreieinhalb Jahren die niedrige Obergrenze kippten, verbieten einige Bundesländer ihren Kommunen, höhere Gebühren zu erheben. In Bundesländern, in denen die Städte handeln können, haben bereits 30 die Gebühren erhöht und weitere eine Erhöhung angekündigt. In den meisten Städten hat sich aber nichts geändert oder die Erhöhung ist längst nicht so hoch, wie die DUH fordert: Parkausweise für Anwohner:innen sollten mindestens 360 Euro pro Jahr – für größere Autos auch mehr – kosten, denn die bisherigen Gebühren decken weder Verwaltungs-, noch Betriebskosten wie Reinigung und Winterdienst. Parkplätze werden also von der Allgemeinheit bezuschusst.
Sicherheitsrisiko Parken
Man könnte meinen, dass parkende Autos kein Sicherheitsrisiko sind. Ein Blick auf die Zahlen der Unfallforschung der Versicherer zeigt aber, dass fast 20 Prozent der Unfälle innerorts, bei denen Menschen zu Fuß oder auf dem Rad verletzt oder getötet werden, direkt oder indirekt mit dem Parken zusammenhängen. Beim indirekten Einfluss spielt sowohl regelwidriges als auch regelkonformes Parken eine Rolle. Beim regelkonformen Parken verunglücken Menschen, weil sie plötzlich zwischen parkenden Fahrzeugen auftauchen und die Fahrbahn betreten; vor allem Kinder sind hier gefährdet.
Regelwidriges Parken an Knotenpunkten oder Zufahrten ist gefährlich, weil dadurch die Sicht versperrt wird. Unerlaubtes Parken auf Geh- und Radwegen zwingt Menschen zu Fuß und auf dem Rad dazu, auf die Fahrbahn auszuweichen. Unfälle, die direkt mit dem Parken zusammenhängen, passieren vorwiegend beim Ein- und Ausparken. Besonders gefährlich für Radfahrende ist das „Dooring“: Plötzlich öffnet sich direkt vor einem eine Autotür.
Ahndung von Falschparken
Sehr gefährlich ist das regelwidrige Parken auf Geh- und Radwegen: Radfahrende müssen in den fließenden Verkehr ausweichen, Menschen mit Rollstuhl, Rollator oder Kinderwagen und Kinder auf dem Rad zwingt ein blockierter Gehweg auf die Fahrbahn oder zu Umwegen. Unverständlich, dass Falschparken als „Kavaliersdelikt“ gilt und die Strafe fürs Parken auf Geh- oder Radwegen mit Behinderung von 70 Euro und einem Punkt in Flensburg recht niedrig ist. In der Schweiz kostet es 113 Euro, in den Niederlanden 159 Euro und in Spanien 200 Euro.
Zudem wird regelwidriges Parken in vielen Städten selten bestraft. Bei einer Abfrage der DUH bestätigten nur 26 von 104 Städten, dass sie Falschparken auf Gehwegen konsequent ahnden – trotz der davon ausgehenden Gefahr und obwohl das Oberverwaltungsgericht Bremen im März 2023 bestätigte, dass die systematische Duldung von illegalem Gehwegparken rechtswidrig ist. Zu wenig Personal macht es oft schwierig, Parkverstöße großflächiger zu kontrollieren. Auch hier lohnt ein Blick in die Niederlande, nach Norwegen oder Polen, wo Scan-Fahrzeuge regelwidriges und Parken ohne Parkschein erfassen.
Digitale Parkraumkontrolle in Deutschland nicht vorgesehen
„In Deutschland müsste erst einmal eine gesetzliche Grundlage für diese Form der Parküberwachung geschaffen werden“, sagt ADFC-Rechtsreferent Roland Huhn. „Gelegenheit dazu hätte die Änderung des Straßenverkehrsgesetzes geboten. Digitale Parkraumkontrolle war darin aber trotz einer Vereinbarung im Koalitionsvertrag der Bundesregierung nicht vorgesehen.“
Allerdings ist fraglich, wie wirksam Bußgelder für das Parken auf Geh- und Radwegen überhaupt sind, zumal nur eine geringe Verwaltungsgebühr erhoben werden kann, wenn Fahrzeughalter:innen Angaben zu verantwortlichen Fahrer:innen verweigern. Was wirklich abschrecken würde, wäre konsequentes Abschleppen bei Behinderung; das ist viel teurer als das zusätzlich fällige Bußgeld.
Nachteile werden ausgeblendet
Genau wie Falschparken werden auch zu schnelles Fahren, Unfälle, schlechte Luft und Lärm oft als unvermeidliche negative Begleiterscheinungen des Autofahrens gesehen und akzeptiert. Es wird von vielen Menschen als „normal“ empfunden und nicht hinterfragt. Der Verkehrs- und Umweltpsychologe Ian Walker (Swansea University Wales) und sein Team nennen dieses Phänomen „Motonormativity“.
Ihre Studie zeigt, dass unsere Gewöhnung an das Auto sogar noch weitergeht: Zum Beispiel wird das Rauchen in einer Menschenmenge von 75 Prozent der befragten Menschen abgelehnt, aber nur 17 Prozent sehen Autoabgase in Menschenmengen kritisch. Laut Walker betrachten viele Menschen das Auto und damit auch die negativen Folgen als nicht veränderbaren Teil ihres Lebens und blenden deshalb das Negative aus. Sein Fazit: Wenn die Menschen sich dessen bewusst würden, wäre das ein erster Schritt zur Veränderung.
Verlust als Gewinn
Mit den vielen parkenden Autos, die das Bild der meisten Straßen in unseren Städten prägen, verhält es sich ähnlich: Viele Menschen stellen es nicht infrage, dass deshalb kein Platz für einen Fahrradstreifen ist und der Radverkehr stattdessen auf für ihn freigegebene Gehwege gedrängt wird. Viel Platz für parkende Autos, aber keine gute Infrastruktur für den umweltfreundlichen Rad- und Fußverkehr? Immer mehr Menschen wollen das nicht mehr hinnehmen und fragen: „Wem gehört der öffentliche Raum eigentlich?“
Der weltweite Park(ing) Day im September, bei dem auch der ADFC aktiv ist, zeigt seit 2005 jährlich, dass nicht nur Menschen zu Fuß und auf dem Rad den Platz der parkenden Autos gut gebrauchen könnten: Aus Parkplätzen werden Sitzecken, Cafés, kleine grüne Oasen oder Spielplätze. Dieser Platz steht für einen Tag wieder Menschen zur Verfügung.
Dennoch wird das Umwandeln von Parkplätzen von vielen als großer Verlust empfunden, sodass die daraus resultierenden Vorteile oft übersehen werden: Es wäre Platz für sichere und ausreichend breite Geh- und Radwege, für Orte, an denen sich Menschen begegnen könnten, es gäbe weniger Parksuchverkehr und dadurch auch weniger Lärm und Abgase. Das wäre ein Gewinn für alle!
Barbara Lücke
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