ADFC-Bundeshauptversammlung 2023
Am 11. und 12. November wählten die Delegierten in Berlin und digital auf der ADFC-Bundeshauptversammlung ein neues starkes Vorstandsteam mit Frank Masurat an der Spitze und forderten eine ideologiefreie und faire Verkehrswende.
Zu Beginn der 43. ADFC-Bundeshauptversammlung schwor die ADFC-Bundesvorsitzende Rebecca Peters die Delegierten auf Einigkeit und Geschlossenheit ein. „Der Ton wird rauer“ sagte sie und, dass wir keinen Rechtsruck, sondern eher eine Rechtswanderung erlebten sowie einen Verfall der Debattenkultur.
„Wir nehmen wahr, dass alles, was progressiv und nachhaltig ist, abgelehnt wird.“ In Zeiten mit vielen Krisen, in denen der politische Druck wächst, müsse der ADFC sich geschlossen zeigen und damit ein starkes Signal Richtung Politik senden.
Visuelle Utopien
Für die 140 Delegierten aus allen Bundesländern folgten beeindruckende Videosequenzen, in denen Autos auf magische Weise aus dem Straßenbild verschwinden und nach und nach Orte für Menschen mit viel Platz und Grün entstehen.
Geschaffen hat sie Jan Kamensky, der sich selbst einen visuellen Utopisten oder digitalen Gärtner nennt und mit einer Keynote einen „utopischen Blick auf unsere Straßen“ warf.
Dabei wolle er keine Entwürfe der Zukunft zeigen, sondern die Sehgewohnheiten unterbrechen und das Potenzial für Veränderung zeigen. Er erinnerte an die Bedeutung des öffentlichen Raums und der Umwelt.
„Der Raum ist so wertvoll, in dem wir leben und von dem wir leben. Seine Zukunft ist mit unserem Wohlergehen verbunden. Wir sind dabei, unsere Lebensgrundlage zu zerstören“, sagte Kamensky. Sein Appell: Sorgsamer mit dem öffentlichen Raum umgehen und ihn mehr wertschätzen.
ADFC kann sich StVG-Reform auf die Fahne schreiben
Ein wichtiges Vorhaben, für das der ADFC lange gekämpft hat, wurde am 20. Oktober 2023 vom Deutschen Bundestag beschlossen: die Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (StVG). Der Bundesrat blockierte das Gesetz jedoch, weshalb die Umsetzung noch auf sich warten lässt.
Der ADFC hat mit seiner hartnäckigen Lobbyarbeit dafür gesorgt, dass im reformierten StVG neue Ziele enthalten sind: Klima- und Umweltschutz, Gesundheitsschutz und die städtebauliche Entwicklung sollen künftig mitberücksichtigt werden.
Damit bekämen die Kommunen neue Gestaltungsspielräume, um vor Ort nachhaltige Mobilitätskonzepte umsetzen zu können – ein Riesenerfolg, den sich der ADFC auf die Fahnen schreiben könnte.
Swantje Michaelsen (MdB) betonte die führende Rolle des ADFC bei der Reform
Die Grünen-Politikerin Swantje Michaelsen (MdB) berichtete den Delegierten über die Reform des StVG, die sie als ordentliches Mitglied im Verkehrsausschuss des Bundestags und als Co-Vorsitzende des Parlamentskreises Fahrrad aus nächster Nähe begleitet und mitgestaltet hat.
Sie sprach von einem „Paradigmenwechsel“ und betonte die Rolle des ADFC, der das Thema auf die politische Agenda gesetzt, inhaltlich bearbeitet und politisch gepusht habe.
„Engagement lohnt sich und da machen wir jetzt alle zusammen weiter“, sagte sie und verwies darauf, dass die Änderungen im Straßenverkehrsgesetz nun auch auf die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) übertragen werden müssen.
Versammlung fordert ideologiefreie Verkehrswende
Große Einigkeit bewiesen die Delegierten beim politischen Leitantrag, der von der Versammlung einstimmig und mit großem Applaus verabschiedet wurde.
Der politische Leitantrag richtet einen Appell an Bund, Länder und Kommunen, mit der gleichen Selbstverständlichkeit lückenlose Netze für den Fuß- und Radverkehr und ein attraktives Angebot für den öffentlichen Verkehr zu schaffen, wie es bisher für den Autoverkehr üblich ist. Die Chancen, die vor allem der Radverkehr bietet, müssen genutzt werden – ohne ihn dabei gegen den Fußverkehr auszuspielen oder als Anti-Auto-Maßnahmen zu degradieren.
„Wir machen keine Anti-Autopolitik zum Selbstzweck. Wir kämpfen für eine Mobilität für alle“, sagte Christoph Schmidt vom ADFC-Bundesvorstand, als er den Delegierten den Leitantrag vorstellte. Er forderte eine ideologiefreie und faire Verkehrswende. Nur so bekämen alle Menschen eine echte Wahl beim Verkehrsmittel und nur so kann Deutschland es schaffen, auch seine Klimaschutzziele einzuhalten.
Junge Menschen im ADFC
Der ADFC soll auch für junge Menschen attraktiver werden – deshalb soll eine Jugendorganisation mit eigener Satzung gegründet werden. Auf der BHV haben junge ADFC-Engagierte einen Antrag dazu eingebracht, der mit großer Mehrheit angenommen wurde.
Die Delegierten sprachen sich dafür aus, dass die AG Junge Menschen bei der Gründung eines „Jungen ADFC“ hauptamtliche Unterstützung aus der Bundesgeschäftsstelle bekommt. Entsprechend soll auch das Budget für junge Menschen 2024 und 2025 angehoben werden.
Die Jugendorganisation soll es leichter machen junge Menschen für den ADFC zu gewinnen und sie dazu motivieren, sich zu engagieren und Verantwortung zu übernehmen. Geplant ist, dass im ersten Halbjahr 2025 die erste Bundesjugendversammlung stattfinden kann.
Führungswechsel an der ADFC-Spitze
Ein wichtiger Tagesordnungspunkt waren die Wahlen des Bundesvorstands. Verabschiedet wurden die bisherigen Vorstandsmitglieder Reinhard Buschmann-Carl, zuständig für den Bereich Kommunikation, und Hanna Grau, zuständig für den Bereich Branche/Industrie, die beide nicht erneut zur Wahl antraten.
Auch Rebecca Peters gab ihr Amt als ADFC-Bundesvorsitzende ab. Die Verkehrsgeographin war seit 2018 Mitglied des ADFC-Bundesvorstands und seit 2021 Bundesvorsitzende. In dieser Zeit hat sie den Verband stark geprägt und vorangebracht. In ihrer Amtszeit wurden unter anderem die fahrradfreundliche Reform des Straßenverkehrsgesetzes und die ADFC-Zukunftsstrategie auf den Weg gebracht.
In einer beeindruckenden Rede fasste sie ihre Amtszeit zusammen und bedankte sich beim ADFC und den Delegierten, die ihr im Alter von 22 Jahren die Chance gegeben hatten, den ADFC zu führen. Sie wurde mit minutenlangem stehenden Applaus verabschiedet.
Frank Masurat ist neuer ADFC-Bundesvorsitzender
Ihre Nachfolge tritt Frank Masurat (63) an, Projektmanager und langjähriger Vorsitzender des ADFC Berlin. Dort hat er die Bereiche Politik, Finanzen und Personal verantwortet. Schwerpunkt seiner Arbeit war die Gestaltung und Umsetzung des Berliner Mobilitätsgesetzes.
Als ADFC-Bundesvorsitzender will er angesichts steigender Unfallzahlen im Radverkehr den Druck auf die Politik zum Ausbau sicherer Radinfrastruktur noch einmal deutlich erhöhen.
Mehr Radverkehr ist politisch gewollt, denn das Radfahren macht die Menschen gesünder und den Verkehr klimafreundlicher. Gleichzeitig winden sich aber die Verantwortlichen, wenn es darum geht, der wachsenden Zahl von Radfahrerinnen und Radfahrern auch tatsächlich mehr Platz und Rechte auf der Straße zu geben. Die Folge sind steigende Unfallzahlen im Radverkehr“, sagte er. „Das beunruhigt mich – und motiviert mich zugleich, den ADFC durch neue Partnerschaften noch breiter und agiler aufzustellen und für mehr Tempo bei der Verkehrswende zu sorgen.“
Starkes Vorstandsteam gewählt
Neben Frank Masurat, wählten die BHV-Delegierten mit der Projektmanagerin für EU-Forschungsprojekte Cathrin Cailliau (34) aus Nürnberg und der Nachhaltigkeitsexpertin Sarah Holczer (42) aus Herrenberg zwei neue Gesichter in den ADFC-Bundesvorstand.
Erneut angetreten und wiedergewählt wurden die Diplom-Kauffrau Amelie Döres (61) aus Mainz, der ehemalige Bremer Verkehrssenator Dr. Joachim Lohse (65) aus Hamburg, der IT-Unternehmer Christoph Schmidt (47) aus Köln sowie der Tourismusexperte Christian Tänzler (61) aus Berlin.
Hanna Grau und Reinhard Buschmann-Carl traten nicht mehr zur Wahl an.
Update: Der ADFC-Bundesvorstand hat Mitte Dezember 2023 Reinhard Buschmann-Carl in den Bundesvorstand kooptiert, also in den Vorstand aufgenommen. Dies wurde auf Bundeshauptversammlung bereits angekündigt und nun umgesetzt. Kooptierte Mitglieder des Bundesvorstandes haben Rede- und Antragsrechte von Bundesvorstandsmitgliedern, aber kein Stimmrecht in den Organen des ADFC.
Aktualisiert: 18.12.2023
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