Radverkehr in Bremen: Nachgefragt bei Ludger Koopmann
Bremen gilt neben Münster als die deutsche Fahrradstadt. Ludger Koopmann, stellvertretender ADFC-Bundesvorsitzender aus Bremen spricht über aktuelle Entwicklungen und was sich Deutschland von Bremen abgucken kann.
Mit 23 Prozent hat Bremen einen der höchsten Radverkehrsanteile Deutschlands. Was macht die Hansestadt so besonders?
In Bremen ist man mit dem Rad oft schneller am Ziel als mit dem Auto. Dazu ist es hier flach, was es besonders komfortabel macht mit dem Rad unterwegs zu sein. Aber gute Voraussetzungen allein reichen oft nicht. In Bremen gab es kluge Köpfe, die früh erkannt haben, was für ein Potenzial der Radverkehr für lebenswertere Städte hat und die auch mutig genug waren, Neues auszuprobieren. Klaus Hinte war so ein kluger Kopf, seiner Zeit Referent für kommunale Verkehrsangelegenheiten und dem Innensenator unterstellt. Er war es, der das Thema Fahrrad in den Bremer Senat brachte und die Hansestadt mit der Öffnung der Einbahnstraßen und der ersten Radfahrzone, dem Vorläufer der Fahrradstraße, zum Vorreiter machte. Mittlerweile sind Einbahnstraßen in Bremen flächendeckend für Radfahrende in beide Richtungen freigegeben und die Fahrradstraßen mit großen Piktogrammen auf der Fahrbahn markiert.
Zu den klugen Köpfen gehörte übrigens auch Jan Tebbe, der mit 17 Mitstreitern in seinem Wohnzimmer in der Bremer Neustadt den ADFC gründete. Dass sich Bremen so positiv entwickelt hat, ist nicht zuletzt auch seinem Engagement zu verdanken. Außerdem hat die Stadt mit dem ADFC Bremen einen starken, im Verhältnis zur Bevölkerung sogar den mitgliederstärksten Landesverband deutschlandweit, der vor Ort viel bewirkt.
Was kann sich Deutschland von Bremen abgucken?
Bremen hat in der Vergangenheit gezeigt, dass es Innovationen im Radverkehrsbereich offen gegenüber steht, sie sogar selbst antreibt. Die erste Fahrradstraße und die in beiden Richtungen geöffneten Einbahnstraßen für Radfahrende liegen schon ein Weilchen zurück, aber es gibt auch aktuelle Projekte, mit denen die Hansestadt von sich reden macht. Das Fahrrad-Modellquartier, das zurzeit im Stadtteil Alte Neustadt entsteht, ist so ein Projekt und das erste seiner Art. Herzstück ist die sogenannte Fahrradzone, ein Netz von miteinander verbundenen Fahrradstraßen. Das scheint auf den ersten Blick nichts gravierend Neues zu sein, aber man muss sich einmal vor Augen führen, was das für den Radverkehr bedeutet. Ein ganzer Stadtteil ist durch ein Netz aus Fahrradstraßen erschlossen. Ein durchgängiges Netz aus Straßen, auf denen Radfahrende Vorrang haben und genug Platz, um nebeneinander zu fahren. Autos sind nur zu Gast, müssen auf den Radverkehr Rücksicht nehmen und dürfen höchstens 30 Stundenkilometer fahren. Das macht das Radfahren deutlich angenehmer und leichter – und freut nicht nur die Menschen, die bereits Radfahren, sondern spricht auch die Menschen an, die sich bisher nicht getraut haben, aufs Rad zu steigen.
Mit dem Fahrrad-Modellquartier betritt Bremen Neuland. In vielen deutschen Städten fehlt dazu leider der Mut, aber nur durch diesen Mut kann die Verkehrswende in Deutschland gelingen. Wir müssen mehr ausprobieren, Verkehrsversuche machen und sehen, was funktioniert und was nicht. Deshalb setzt sich der ADFC im Rahmen der geplanten StVO-Novelle für eine Experimentier-Klausel ein, damit Kommunen mehr Handlungsspielräume bei solchen Versuchen erhalten.
Neben dem Fahrrad-Modellquartier sollen auch die Fahrrad-Premiumrouten den Radverkehr in Bremen voranbringen. Wie sind sie zu bewerten?
Radschnellwege und beschleunigte Rad-Vorrangrouten sollen das Radfahren auch auf längeren Strecken attraktiver machen. Sie haben das Potenzial Straßen vom Stau zu entlasten – das gilt nicht nur für staugeplagte Autobahnen, sondern auch für Pendlerstrecken innerhalb der Stadt. Göttingen zeigt mit dem eRadschnellweg wie das funktionieren kann. Neun solcher innerstädtische Radschnellverbindungen, Fahrrad-Premiumrouten genannt, sollen Bremen einmal durchziehen. Dafür sollen größtenteils bestehende Verbindungen qualitativ aufgewertet werden, indem beispielsweise Wohnstraßen zu Fahrradstraßen umgewidmet, Radwege ausgebaut oder vorhandene Brücken für den Radverkehr freigegeben werden. Auch dieses Vorhaben hat Vorbildcharakter. Schade ist nur, dass bisher so wenig auf den Straßen passiert ist.
Was kann der Bund tun?
Das größte Problem in Städten wie Bremen ist oft, dass das Geld für den Radverkehr knapp ist. Hier ist auch der Bund in der Pflicht, den Kommunen mehr unter die Arme zu greifen. Wir brauchen dringend umfangreiche Investitionen für den Ausbau einer sichereren und komfortablen Radverkehrsinfrastruktur.
Das geht nur, wenn der Bund dafür neue zusätzliche Förderprogramme auflegt oder vorhandene Finanzierungswege wie beispielweise das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG Bund) um die Förderung von Großprojekten für den Radverkehr erweitert. Die sind für viele Kommunen allein nicht zu stemmen. Das trifft zum Beispiel für den umfassenden fahrradfreundlichen Umbau ganzer Kommunen, den Ausbau von Radschnellwegenetzen, Brücken und Unterführungen für den Fuß- und Radverkehr sowie für moderne Fahrradparkhäuser an größeren Bahnhöfen zu. Daher ist es besonders ärgerlich, dass nicht einmal die im Rahmen des Dieselgipfels 2017 angekündigte geringfügige Erhöhung des Verkehrshaushaltes für den Radverkehr auf insgesamt 200 Mio. Euro erfolgt ist.
Immerhin ist im Verkehrshaushalt dafür nun ein vom ADFC seit langem geforderter Sonderetat für investive Modellprojekte im Radverkehr vorgesehen, so dass nun auch bauliche Umgestaltungsmöglichkeiten zur Radverkehrsförderung aus dem Verkehrsetats des Bundes finanziert werden können. Allerdings ist dieser mit 20 Millionen Euro viel zu niedrig angesetzt.
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